Ein Brauch, der Unglück bringt …

weisse-taube-3Für viele Menschen gehören zu einer romantischen Hochzeit nicht nur das weiße Kleid, die üppige Blumendekoration und die Pferdekutsche, sondern auch weiße Tauben. Als Symbol für Treue und Glück in der Ehe lässt das Brautpaar sie fliegen. So sieht es auch beeindruckend aus, wenn zwei weiße Tauben zusammen in den blauen Himmel steigen.

Besonders gerne werden dafür Tauben ausgesucht, die eine besondere Befiederung tragen, wie z. B. zum Pfauenschwanz aufgestellte Schwanzfedern, befiederte Füße oder ein Federhäubchen auf dem Kopf. Sind diese Tauben dann auch noch so zutraulich, dass sie für eine kurze Zeit auf der Hand oder dem Korb sitzen bleiben, scheint die Wahl perfekt. Man bekommt einen Korb mit den Tauben in die Hand gedrückt, eine kurze „Anleitung zur Handhabung“ und das war es meist schon.

weisse-taube-1Die wenigsten fragen sich, was mit den Tauben passiert, wenn die Hochzeit vorbei ist. Gerade die Zier- und Rassetauben, zu denen die Tauben mit einer besonderen Befiederung gehören, können häufig nur mäßig gut fliegen und haben ein kaum ausgeprägtes Heimfindevermögen wie man es von den Brieftauben kennt. Nicht selten verschwinden die Tauben zwar aus dem Sichtfeld der Hochzeitsgesellschaft, landen dann aber im näheren Umkreis der Kirche. Unfähig, nach Hause zu fliegen, aber auch nicht fähig, sich auf der Straße durchzuschlagen. Sie irren ziellos umher. An eine Versorgung mit Taubenfutter gewöhnt, sind sie nicht geübt sich auf der Straße von anderen Dingen zu ernähren. Sofern sie nicht verhungern oder überfahren werden, werden sie geschwächt, früher oder später von Greifvögeln, Katzen oder Hunden gerissen oder ertrinken bei dem Versuch, an einem See oder Fluss zu trinken. Ein trauriges Schicksal. Sie selbst sollen Glück bringen, um das Glück der Tauben schert sich danach aber leider niemand. Ob es das Brautpaar so gewollt hat?

weisse-taube-2Die Tierschutzvereine bekommen oft zum Wochenanfang Anrufe von Anwohnern oder Passanten, die die Tiere auf der Straße beobachten. Durch die weiße Farbe heben sie sich zumindest von den üblichen Stadttauben ab und immerhin einigen Menschen kommt der Gedanke, dass die Tauben wohl eher nicht in das Stadtbild gehören. Hört man bei den umliegenden Kirchen nach, stellt sich meist heraus, dass am Wochenende eine Hochzeit stattgefunden hat.

Wenn man Glück hat, lassen sich die Tauben einfangen, bevor sie unter die sprichwörtlichen Räder kommen. Sie landen dann in Tierheimen oder in Auffangstationen. Gespräche mit den Hochzeitstaubenvermittlern sind schwierig und laufen oft ins Leere. Auf Einsicht kann man nicht hoffen. Die Hochzeitstauben werden oft billig auf Tiermärkten gekauft, um dann für teures Geld für den „besonderen Anlass“ weiterverkauft zu werden. Der Tod der Tiere ist mit einberechnet.

Wer seinen „schönsten Tag im Leben“ genießen und ihn nicht für andere Lebewesen zum schlimmsten Tag machen möchte, verzichtet auf die Beteiligung von Tieren.

Sabine Brunelli