Post von Pepsi (Luzie)

vom 20.12.2016

Liebe Frau Nürnberger, liebes Tierheim-Team,

luzieich möchte mich nach zwei Jahren mal wieder bei euch melden. Erkennt ihr mich überhaupt noch? Ich bin es, die Luzie … jetzt Pepsi. Es ist viel passiert in den letzten beiden Jahren. Ich kam als ein Häufchen Elend zu meinem Frauchen. In meiner so wichtigen Sozialisierungsphase habe ich bei meinem ersten Besitzer ja überhaupt nichts kennengelernt. Ich lebte mit meinem Bruder und Onkel fast ganz alleine auf einem Grundstück.

Es war ein totaler Schock für mich, als ich aus der absoluten Ruhe in euer Tierheim kam. Fremde Menschen, so viele andere Hunde, das laute Bellen…alles hat mir soo viel Angst gemacht! Ihr habt euch wirklich Mühe mit mir gegeben, aber meine Angst war einfach so groß, dass ich mich immer in meiner Hütte versteckt habe, damit mich niemand sieht. Irgendwann kam dann eine Frau mit zwei Hunden, mit denen ich öfter auf eine eurer Wiesen laufen musste. Ich fand das echt doof und lief immer am Zaun entlang in der Hoffnung, einen Fluchtweg zu finden. Die beiden anderen Hunde haben freundlich versucht, mit mir Kontakt aufzunehmen, deren Frauchen auch…aber ich fand alles einfach beängstigend und so schnappte ich auch mal nach den Hunden. Trotzdem kamen die Drei immer wieder…

Meine ehrenamtliche Gassigängerin Eileen, die sich immer um mich kümmerte, trainierte plötzlich noch mehr mit mir…auch das Hineingehen in ein Haus auf dem Tierheimgelände…uuuhhh…das fand ich gruselig. Aber mit ihr an meiner Seite ging es dann doch und ich gewöhnte mich daran. Jetzt weiß ich auch, warum sie es getan hat: eines Tages fuhr sie mich zu der Frau mit den beiden (eigentlich netten) Hunden nach Hause. Wir gingen ins Wohnzimmer, die Menschen haben sich auf den Boden gesetzt, ich lag unsicher daneben. Und irgendwann ging Eileen… ohne mich wieder mitzunehmen.

Ja, das war mein erster Tag bei meiner neuen Familie. Ich lernte schnell, wie der Tagesablauf ist…ich bin ja ein kluges Mädchen, ich ließ mir auch alles von meinem neuen Frauchen gefallen…aber vertrauen…nein, das konnte ich noch lange nicht.

Im Haus fühlte ich mich recht schnell wohl. Der Garten…naja…da waren rechts und links auch fremde Menschen. Sobald ich einen sah oder hörte, flüchtete ich ins Haus.

Mein Frauchen nahm mich und meine beiden Kumpels Olli und Dascha jeden Tag mehrmals an die Leine und wir haben das Haus verlassen. „Spaziergang“ nennen die Menschen es. Ich kann nicht verstehen, wie Olli und Dascha sich immer darauf gefreut haben. Für mich war es das Schlimmste, was man sich vorstellen kann!!!
Eine fremde Gegend, fremde Menschen, fremde Gerüche, fremde Geräusche…puuuh, das war einfach zu viel für mich. Ich wollte nur weg und zog in jede nur erdenkliche Richtung. Und das sehr spontan und unvorhersehbar.

Mein Frauchen sagte öfter zu mir, ich würde ziehen, wie ein Elefant und sie in den Wahnsinn treiben. Nee…Frauchen, da hast Du was verwechselt….DU hast mich mit diesen „Spaziergängen“ in den Wahnsinn getrieben…hinter jedem Busch hätte ein Monster lauern können…das hast Du einfach nicht verstanden!

Ja und dann kamen mehrere Menschen, die sich „Hundetrainer“ nannten. Die meisten waren nach kurzer Zeit wieder weg…mein Frauchen meinte, sie wären mit mir überfordert (verstehe ich nicht…). Bis wir zusammen in das Sauerland gefahren sind. Dort war eine Frau (Frauchen sagt, sie wäre Tierärztin und Verhaltenstherapeutin oder so), die hat mich einfach nur beobachtet und danach lange mit meinem Frauchen geredet. Ich glaube, diese Frau hat mich verstanden. Sie hat etwas von Deprivation gesagt, dass ich es schwerer habe, Dinge zu lernen und vermutlich niemals ein normaler Hund sein würde. Sie sagte, dass quasi irgendwo über mir ein Glasdach sei. Bis zu diesem Dach könne ich lernen, wenn ich es erreicht habe, ginge nichts mehr. Aber dass es sich auf jeden Fall lohne, mit mir zu trainieren und dass man immer wieder positiv überrascht werden könne, wie toll sich ein Deprivationshund entwickele. Was bedeutet das nur?

Ja und dann hat Frauchen anders mit mir trainiert. Alles war richtig positiv, ich wurde in vielem bestärkt, die Spaziergänge waren kürzer (so wurde ich nicht überfordert) und auch mein Selbstbewusstsein stieg. Das fand ich so toll, dass mein Vertrauen in mein Frauchen enorm stieg.

Wir waren auch mal in Frankfurt bei zwei Menschen, die sich auch Hundetrainer nennen. Seitdem clickert mein Frauchen mit mir. Sie sagt, eigentlich sei sie kein Mensch für`s Clickern, aber da ich so enorm viel Spass daran habe und wohl auch gut bin, wie sie sagt, machen wir es. Ich bin immer ganz aufgeregt, wenn sie den Clicker in die Hand nimmt. Wenn ich dann von Frauchen so doll gelobt werde, bin ich ganz stolz und werde wieder ein Stück selbstbewusster!

Bei den Spaziergängen kann ich leider immer noch nicht ohne Leine laufen. Ich habe halt Angst, dass hinter jedem Busch eine Gefahr droht. Größtenteils laufe ich auf den gewohnten Wegen gelassen mit, aber ganz plötzlich und unerwartet bekomme ich Angst und versuche wegzulaufen. Daher traut sich mein Frauchen noch nicht, mich hier frei laufen zu lassen. Aber die Spaziergänge sind für beide Seiten deutlich entspannter geworden!

Ich muss euch noch etwas ganz tolles erzählen: Im September waren Frauchen, Olli, Dascha und ich in der Eifel, wo wir geholfen haben, einen jungen Hund einzufangen, der schon seit 7 Monaten dort herumstreunt und der nun abgeschossen werden sollte. Man stellte uns ein Wohnmobil auf eine große Wiese am Ortsrand, dort wo der Hund immer lief. Irgendwie war ich auf dieser Wiese so entspannt, dass mein Frauchen mir vertraut hat und ich frei laufen durfte. Boah…war das schööön! Ich konnte rennen und mit meinen beiden Kumpels so richtig Gas geben! Allerdings hatte Frauchen mich immer gut im Auge. Ich weiß, dass sie die Hoffnung hatte, dass ich ab diesem Zeitpunkt auch zu Hause etwas angstfreier sei, aber zu Hause waren doch wieder viel mehr fremde Menschen und komische Geräusche…daher laufe ich hier wieder an der 15 m-Leine. Geht aber auch. Den Hund haben wir übrigens auch fangen können. Mit Hilfe von Olli, Dascha und mir.

Ach und nochwas: ich bin jetzt eine Mantrailerin ☺! Olli hat mir erzählt, dass er anfangs auch ganz viel Angst hatte und Frauchen mit ihm getrailt hat. Dadurch wurde er so selbstbewusst, wie ich ihn jetzt kenne…gut…er überschätzt sich jetzt ab und zu mal…aber eigentlich ist er echt o.k. Das will ich auch!

Ja, was soll ich sagen, es ist ungewohnt und kostet mich noch Überwindung, aber bisher habe ich jede fremde (!!!) Person gefunden, die ich finden sollte. Es ist schon der Wahnsinn. Wenn ich arbeite, bin ich hochkonzentriert und finde jeden…sobald ich ihn gefunden habe, schaue ich mich um und bekomme wieder Angst. Aber Olli sagt, das war bei ihm genauso. Ich hoffe, dass ich mal genauso selbstbewusst werde, wie mein kleiner Freund!

Ja, das ist so das Wichtigste, was in den letzten zwei Jahren bei mir so passiert ist. Mein Frauchen habe ich bestens im Griff…bei meinem „ich bin ja soooo arm“-Blick merke ich, wie sie dahinschmilzt und wir kuscheln beide für unser Leben gern, aber andererseits ist sie auch sehr konsequent, was mir Sicherheit gibt.

Ich möchte hier nie wieder weg und ich bin mir sicher, dass Frauchen mich auch niiie wieder hergeben würde. Ich vertraue ihr inzwischen absolut und sie sagt, ich sei ihr Schatten, was auch immer damit gemeint ist, aber sie sagt es mit einem Lächeln im Gesicht. Hier ist also alles im Lot.

Ich, mein Frauchen, Olli und Dascha wünschen euch schöne, erholsame Weihnachtstage und ein gesundes, erfolgreiches Jahr 2017!
Und ich drücke ganz doll meine Pfoten, dass viele meiner Kollegen ein schönes Zuhause finden!

Eure Luzie