A gentleman’s story – in Gedenken an einen »Ehemaligen«

Am 05.01.2022 mussten wir Henry gehen lassen. Diesen wundervollen, feinsinnigen, intelligenten Hund, der unser Leben über 14 Jahre so sehr und nachhaltig bereichert hat. Eine Stille ist nun eingetreten, obwohl er niemals laut war, eine Leere, obwohl er sich nie aufgedrängt hat.
Wir lieben Dich bis zum Horizont und darüber hinaus


Der lange Weg nach Hause.

Wann er begann? Wir wissen es nicht. Vielleicht 1999? Es bleibt offen. Wie so vieles. Und anderes nicht.
Der Weg aus Suceava (Rumänien, am Rande der Karpaten, nahe der ukrainischen Grenze) nach Rheinbach, nahe Bonn.
In Suceava wurde Henry geboren. Und hatte gleich zu kämpfen. Ums Überleben. Und das sollte lange Jahre so bleiben.

Im Welpenalter überlebt er eine Staupe-Infektion. Er überlebt als Straßenhund eisige Winter, Straßenverkehr, unsichere Nahrungsbeschaffung, einen unbehandelten Beinbruch, … . Es fehlt ihm ein Teil der Rute, ein Teil des linken Ohres bestenfalls als Zeichen der Kastration.

Dann 2004: Henry und viele andere werden mit Futter gelockt und gefangen. Vereinbart mit Tierschützern ist: Kastration und freilassen. Doch im Lager fangen Mitarbeiter an, sie zu misshandeln und zu töten, u. a. übergießen sie Hunde mit heißem Teer. Henry und über 300 andere Hunde überleben, weil eine couragierte Tierschützerin (“Mulțumesc frumos” Eugenia Ies!) kurzfristig ein Gelände organisiert und die Hunde dorthin bringt.

Einfache Hütten werden aufgestellt, Essen aus Abfällen über offenem Feuer gekocht. Nach und nach werden Hunde v. a. nach Deutschland gebracht. Henry wird der letzten Fahrt angehören – nach über 3 Jahren. Wieder: überlebt. Henry hat kein Vertrauen (mehr) in Menschen. Betäubungspfeile kommen zum Einsatz.

Die Fahrt geht – kurzfristig noch geändert – schließlich den langen Weg ins Tierheim nach Bonn. Nun ist er hier gut versorgt und angenommen.

Und dann: Im Schreck entwindet Henry sich dem Geschirr und läuft auf die Autobahn. Ein Wunder, nochmals: unverletzt läuft er wieder zurück ins Tierheim.

Am 4.8.2007 schließlich lernen wir Henry in seinem Zwinger kennen und sind vom ersten Moment an von der feinen, klugen Ausstrahlung berührt und entscheiden: Wir möchten mit Henry zusammenleben. Und hoffen, Henry auch mit uns und unseren Hunden Lucky und Ayscha.

Und wirklich: alle vertragen sich, gerade die beiden Hunde geben Henry das Vertrauen, das er Menschen – verständlich und richtig – nicht entgegenbringt.

Und nach wenigen Tagen rettet er selbst: Freundin Diamond, mit aus Rumänien gekommen, ist nach ihrer Vermittlung entlaufen. Vor menschlichen Rettern weicht sie, als Henry da ist, kommt sie nach Tagen aus dem Wald und wird leicht verletzt in Sicherheit gebracht.

Wir sind zutiefst dankbar für Henry, diese wundervolle Persönlichkeit. Vorsichtig mit solchen Zuweisungen wagen wir es zu sagen, auch Henry genießt es, hier zu sein.

Er liebt (noch immer!) lange Spaziergänge, seine behaglichen Liegeplätze, sonnen drinnen und im Sommer auch draußen, gemeinsames Kuscheln, seine Hund-Mensch-Familie. Angekommen.


Henry-Occur_MG_5891Oktober 2010
Henry hat einen neuen Hundegefährten. Nachdem Lucky und Ayscha gestorben sind, ist Occur (geb. ca. 2005 in Rumänien) bei uns eingezogen. Beide – vom Typ her ganz unterschiedlich – stehen sich sehr nahe.


hunde-graue-schnauzen-2August 2015
Lucas aus Spanien (geb. ca. 2005 auf Gran Canaria) ist zu uns gezogen. Obwohl auch schon eine »Graue Schnauze« und fast blind bringt er eine fröhliche Lebendigkeit in die Truppe.


Dezember 2018
Noch immer hier bei uns ….


Mai 2020
Wundervoll – noch immer hier bei uns, mit Occur und Lucas. Ein weiser alter Mann, der weiterhin gerne spazieren geht, bester Kochkumpel in der Küche ist, die Sonne genießt und seinen eigenen Routinen folgt. Natürlich schläft Henry auch viel und das Aufstehen fällt schwerer. Das aktuelle Labor aber zeigt prima Werte. *dankbar*

 

Im Herzen trägt Henry die Freiheit. ♥


 

Unser großer Dank gilt all jenen, die Henrys Rettung, Reise und Vermittlung durch ihren großen Einsatz ermöglicht haben.

Einfühlendes Verstehen ist nicht teilbar – nicht durch Ländergrenzen, nicht zwischen Menschen/Tieren – es ist Stärke im Hinblick auf alles Leben.

In Gedanken sind wir auch bei all jenen Straßenhunden, die derzeit noch ohne Hilfe sind.

Nicole Ernst